Schlagwort: Bildaufbau

Wie entsteht eigentlich ein gutes Bild?

Kann man ein gutes Bild planen? Ein Bild, dass sich aus der Masse abhebt, uns ins Auge fällt und im Gedächtnis bleibt? Fotografien an die man sich erinnert und von denen man anderen erzählt? Wie entsteht ein Bild, dass einfach mehr ist, als eines von vielen, mehr als ein netter Schnappschuss?

Nicht die Kamera macht das Bild!

Eine gute Fotografie ist mehr als das technische Zusammenspiel aus Blende, ISO-Empfindlichkeit und Verschlusszeit, selbst bei einer perfekten Kombination dieser technischen Werte, kann ein Bild zwar technisch Perfekt, aber trotzdem „schlecht“ sein. Da hilft auch keine professionelle Kamera für mehrere tausend Euro inklusive professioneller Objektive.
Eine professionelle Kamera bietet lediglich mehr Freiheiten und Möglichkeiten bei der technischen Umsetzung. Sie hat in gewissen Situationen Vorteile, bietet mehr Lichtempfindlichkeit, die Objektive haben andere technische Möglichkeiten.

Die Geschichte macht das Bild!

Herausragende Bilder bietet mehr, sie haben eine Geschichte, bieten Inhalte, üben Kritik, zeigen etwas, interpretieren, werten oder holen die Betrachter aus ihrer Umgebung heraus und ziehen sie förmlich in das Bild, aber wie schaffen sie das?!

Farben und Kontraste

Farben haben eine starke Wirkung auf unsere Unterbewusstsein, sie lösen in uns Emotionen und Reaktionen aus und mit einem gezielten Einsatz der Farben kann man seine Bilder gezielt emotionalisieren. Bestimmte Farbreize, lösen bestimmte Reaktionen aus. Schon in der Antike und im Mittelalter versuchte man herauszufinden, wie Farben auf Menschen wirken.

Goethe beschäftigte sich unter anderem mit der sinnlich-sittlichen Wirkung von Farben auf den Menschen und verfasste einen Farbkreis, in dem er Farben bestimmte Wirkungen zuordnete, in diesem Farbkreis finden sich Begriffe wie: Sinnlichkeit, Phantasie, Vernunft und Verstand, sowie schön, edel, gut, nützlich, gemein und unnötig.

Viele werden sich vor jedoch an einen anderen Farbkreis erinnern, der ihnen aus dem Kunstunterricht noch im Gedächtnis sein wird. Der Farbkreis nach Johannes Itten (1888-1967), als Teil einer der bekanntesten Farbenlehren der Neuzeit. Der Bauhausmeister setzte sich intensiv mit Farben, deren Wirkung aufeinander und Kontrasten auseinander.

Doch Itten war nicht der Einzige, der sich mit der Farbenlehre auseinandersetze, eine weniger bekannte Farbenlehre stammt von Harald L. Küppers und beschäftigt sich mit einer deutlich moderneren Herangehensweise.

Symbole, Ikonen, Bildinhalte

Auch der Aufbau der Inhalte eines Bildes spielt eine wichtige Rolle beim Erzählen der Bildgeschichte. Der gezielte Einsatz von Bildbestandteilen und Symbolen (Ikonen) führt zu bestimmten Interpretationen des Bildes. Zeichen einer Zeit, Symbole einer Ära, kulturelle Einflüsse, religiöse Inhalte, die Art wie wir Bilder aufbauen und gestalten, verändert sich ständig und stetig, Bilder spielgeln somit immer einen bestimmten Zeitgeist wieder. Im Laufe der Zeit kann es allerdings passieren, dass diese Symbolik und die Deutung dieser Symbole sich verändert und die Bildaussage sich damit ebenfalls verändert. Kaum jemanden wird heute noch die Symbolik der Malereien des Mittelalters bekannt sein, dabei haben sich diese Maler häufig viele Gedanken über die im Bild befindlichen Abbildungen gemacht und häufig auch mit Symbolen gearbeitet. Ein bekanntes Beispiel ist die Abbildung des Ochsen und des Esels, bei der Darstellung einer Krippe, wie sie häufig zur Weihnachtszeit aufgebaut und dargestellt wird. In der Bibel spielen diese Tiere keine Rolle, sie werden bei der Schilderung von Christi Geburt nicht näher erwähnt und gehören auch nicht klassisch als Einzeltiere gemeinsam in einen Stall. Wer weiß denn heute noch, dass der Ochse – der auch gerne mit einem Joch dargestellt wird – von den Malern des Mittelalters als Symbol für die beiden großen Weltreligionen gedacht sind, der Ochse symbolisiert das Judentum, der Esel den Islam.

Dennoch haben Symbole in Bildern eine große Wirkung, zumal die meisten Bilder nicht unbedingt eine Wirkung über die Jahrhunderte haben sollen, sondern innerhalb eines bestimmtes Zeitgeistes wirken sollen.

Die Gestaltung von Bildern, die Komposition

Ein weiterer Schritt zu einem guten Bild, ist der gezielte Einsatz der Komposition, also des eigentlichen Bildaufbaus oder die Frage, welche Inhalte, werden wo im Bild platziert? Wie wird das Bild angeschnitten, welche Inhalte werden gezielt aus den Bildern herausgelassen?

Eine der bekanntesten und auch wirkungsvollsten Kompositionsregeln, ist die Lehre vom Goldenen Schnitt, die Lehre des harmonischen Bildaufbaus, oftmals als Drittelregel beschrieben. Viele Kamerahersteller bieten inzwischen die Möglichkeit diese Kompositionsregel in Form eines einblendbaren „Gitternetzes“ im Sucher anzeigen zu lassen. Bauen wir Bilder nach dieser Regel auf, empfinden wir sich zunächst einmal grundsätzlich als „stimmig“ oder harmonisch, wie es schon im antiken Griechenland hieß, denn die Harmonielehre, ist eine altgriechische Bildaufbaulehre.

Doch der Goldene Schnitt ist nicht die einzige Möglichkeit ein Bild zu komponieren, es gibt ein paar Möglichkeiten in der Bildkomposition mit der man seine Bildsprache und damit die Bildaussage verbessern kann. Wichtig ist, dass wir es schaffen die Bilder so aufzubauen, dass wir den Blick der Betrachter genau an die Stellen im Bild lenken, an denen wir sie haben wollen, damit das Bild so gesehen wird, wie wir es sehen. Die Blickführung spielt eine entscheidende Rolle beim Bildaufbau.

Ein gutes Bild

In der Bildgestaltung geht es also um das Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren, die Lehre von Formen, Proportionen und Komposition, der gezielte Einsatz von Farben und Kontrasten, das Nutzen von Inhalten und Symbolen. Ein gutes Bild entsteht dann, wenn diese Faktoren gut miteinander kombiniert werden und kann durch den Einsatz der Kameratechnik noch verbessert oder verfeinert werden!

Im Grunde geht es darum, dass wir es schaffen die Wahrnehmung der Bildbetrachter so zu steuern, dass diese das Bild so sehen, wie wir es in dem Moment gesehen haben, als wir es machten. Die menschliche Wahrnehmung ist allerdings durch verschiedene Faktoren immer wieder abgelenkt und längst nicht so konzentriert, wie wir sie erwarten. So verhindert beispielsweise eine vom Gehirn gesteuerte Wahrnehmungssperre, dass wir alles um uns herum wahrnehmen und zwingt uns dazu, uns nur das Wesentliche anzusehen und zu merken. Ein gutes Bild schafft es, für den Moment des Betrachtens, genau dieses Wesentliche zu sein. Kunst liegt zwar im Auge des Betrachters, doch es ist die Aufgabe des Künstlers, dieses Auge zu führen.

Oder wie ein bekannter Landschaftsfotograf sagte:

„You don’t take a picture, you make it!“

(Ansel Adams (1902-1984)

Dabei lässt sich nicht nur sehr viel aus der Geschichte und von den alten Meistern der Malerei und der Fotografie lernen, bei näherer Betrachtung erkennt man auch, dass sich gewisse Bildaufbauten durch die Epochen immer wiederfinden, bewusst kopiert oder unbewusst nachgestellt, versteht man das Zusammenspiel und die Wechselwirkung, so kann man gezielt bessere Bilder machen.


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Fotografieren lernen, sehen lernen! – Teil 2

Im ersten Teil dieses Artikels habe ich Euch etwas über die Unterschiede zwischen unserer Art zu sehen und der Art, wie die Kamera sieht, erklärt. Ihr habt erfahren, dass wir nur einen kleinen Teil unseres Sichtfeldes tatsächlich zum alltäglichen Sehen nutzen und Eure Kamera deutlich flexibler in der Gestaltung ihres Sehvermögens ist, als das menschliche Auge.

Wir sehen nicht nur, wir erleben!

Das Sehen ist nur die eine Seite dessen, wie Bilder in unserem Kopf entstehen, das eigentliche Bild entsteht durch viele „Einzelaufnahmen“, doch bevor diese wirklich als Bild in Eurem Kopf zusammengesetzt werden, werden sie durch unsere Wahrnehmung gefiltert!

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Anders als unsere Kamera, erleben wir den Moment, den wir festhalten wollen. Wir nehmen ihn mit all unseren Sinnen ganzheitlich wahr. Wir sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen, interpretieren, vergleichen Erinnerungen und Erwartungen, wir freuen uns oder sind traurig, wir bewerten die Situation anhand von gelernten und erlebten Dingen, aber wir vergessen auch, verdrängen und filtern unwichtiges einfach aus.

Unserer Kamera hingegen steht nur der „Sehsinn“ zur Verfügung, anhand ihrer technischen Parameter und einprogrammierten Algorhythmen „bewertet“ sie das gesehene und erstellt Euch ein Vorschaubild.


Die menschliche Wahrnehmungssperre

Doch unsere Wahrnehmung wird auch stark gefiltert, da unser Gehirn nur eine sehr begrenzte Aufnahmekapazität besitzt, diese Wahrnehmungssperre trainieren wir uns in den ersten Lebenswochen und Monaten an. Dieses Training ist schmerzhaft und laut, denn man weiß heute, dass Säugling aus unerfindlichem Grund schreien, weil sie reizüberflutet sind, ihr Gehirn hat bisher noch nicht gelernt die Umgebung nach wichtigen und unwichtigen Informationen zu filtern.

Tatsächlich landen gerade einmal 20% aller optisch und über andere Sinne aufgenommenen Informationen bewusst in unserer Erinnerung, die restlichen 80% filtern wir heraus, bewerten sie als unwichtig und vergessen sie wieder. Falls ihr selbst testen wollt, wie groß diese Lücke ist, lade ich Euch zu einem Test ein:

  1. Betretet einen Raum den Ihr noch niegewesen seid und nehmt Eure Kamera mit.
  2. Geht hinein und seht Euch nur für eine Sekunde um, in dieser Zeit macht ihr ein weitwinkliges Foto von diesem Raum.
  3. Dreht Euch um und geht wieder raus, nicht noch einmal reinschauen.
  4. Nun wartet ihr 10min. damit sich die Erinnerungen setzen können.
  5. Schnappt Euch einen weißen Zettel und versucht zu zeichnen, was ihr gesehen habt. Es geht nicht um Schönheit, sondern nur darum zu überlegen, was ihr gesehen habt. Schreibt eine kurze Beschreibung des Raums.
  6. Nun schaut Euch Eure Zeichnung und die Beschreibung an und vergleicht das mit dem Detailreichtum des Bildes, welches Eure Kamera gemacht habt.

Ihr werdet feststellen, das die Kamera – ohne Wahrnehmungssperre – ein deutlich detailierteres Bild aufgezeichnet hat, als Eure Erinnerung. Die Kamera ist Eurer Art die Welt zu sehen und zu interpretiere in vielen Dingen unterlegen, doch im reinen Sehen und Erinnern, ist sie Euch überlegen!

Daher ist es um so wichtiger sich möglichst genau auf das zu Fotografierende zu konzentrieren, die Bildränder zu kontrollieren und den Bildausschnitt mit Bedacht zu wählen.


Ein fotografisches Beispiel

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Beispielbild – Kameraaufzeichnung

Sicher kennt ihr das Phänomen, ihr macht ein Bild und irgendwie sieht das nicht so aus, wie Ihr Euch das Bild vorgestellt habt. Irgendwas ist anders, die Stimmung passt nicht, die Farben waren doch anders und warum ist da etwas im Bild, dass ihr Euch nicht erinnern könnt.

Dieses Bild zeigt in der unteren, linken Bildecke die „Heckflosse“ einer vorbeifahrenden Gondel in Venedig, an die ich mich beim Fotografieren nicht erinnern konnte. Ich habe sie am Bildrand nicht wahrgenommen auch wenn sie definitiv da war. Außerdem war das Bild in meiner Erinnerung deutlich farbenfroher, das Boot und der kleine Anlefer direkt am Balkon waren eigentlich mein Hautpmotiv und nicht der riesige Schatten im Hintergrund. Doch auch diesen habe ich so nicht wahrgenommen. Ich hatte mich auf das Boot konzentriert. Da dieses Boot in der Sonne stand, hatten meine Augen sich an die Helligkeit der Umgebung gewöhnt, was die Farbenfrohere Erinnerung erklärt.

Bildbeispiel 2 - So habt ihr das Bild gesehen.

Bildbeispiel – So habt ihr das Bild gesehen.

Denn wie Ihr im ersten Teil gelesen habt, seht Ihr lediglich einen kleinen Bereich des Bildes im zentralen Gesichtsfeld tatsächlich farbig, scharf und dreidimensional.

Ihr habt Euch also nur einen sehr zentralen Bereich des Bildes wirklich angeschaut und bewusst wahrgenommen und nur innerhalb dieses Bereiches entsteht Eure bewusste Erinnerung an das Bild, auch wenn der eigentlich gesehene Bereich größer war.

Eure Wahrnehmung hat das Bild dann zusätzlich noch optimiert und verfälscht. Nach ein paar wunderschönen Urlaubstagen in einer traumhaft schönen Stadt, einem guten Esssen und einem sehr schönen, sonnigen Tag macht ihr einen Schnappschuss.

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Beispielbild – Eure Erinnerung

All Eure Emotionen begleiten Euch in diesem Moment und sorgen dafür, dass Ihr Euch an einen deutlich schöneren Moment erinnert, als er es eigentlich war. Eure Erinnerung optimiert das Bild in Eurem Kopf, damit es dem entspricht, was ihr erlebt habt. Eure Erinnerung zeigt Euch immer eine subjektive Wahrnehmung und kein physikalisch, objektiv korrektes Bild.

Wie ich eingangs erwähnte, hatte ich ein farbenfroheres Bild im Kopf mit dem Boot als zentralem Bestandteil des Fotos.

Das Bild, welches mir also die Kamera geliefert hat, hat einen größeren Ausschnitt und entspricht nicht dem, was ich wahrgenommen habe. Sie hat ein Bild aufgezeichnet, welches den objektiven Ansprüchen eines möglichst guten Bildes entspricht. Hier zeigt sich der große Unterschied zwischen dem was Ihr glaubt zu sehen und dem was Eure Kamera tatsächlich gesehen hat.


Arbeitet mit der Wahrnehmung und nicht dagegen!

Ihr könnt gegen Eure Wahrnehmung nicht arbeiten, sie ist Euch mitgegeben und mit Euch gewachsen. Sie macht Euer Bild im Kopf aus und prägt Eure Erinnerungen und genau deswegen solltet Ihr mit Ihr arbeiten und nicht versuchen dagegen zu arbeiten.

Die Kameraautomatik kann keine Gedanken lesen, sie kennt keine Emotionen und weiß nicht, was für Euch das Bild ausmacht. Aber wenn Ihr Euch beim Fotografieren auf die Bildränder und den Bildaufbau konzentriert, alle Inhalte aus dem Bild herauslasst, die für Eure Bildaussage nicht wichtig sind und Euch nur auf das konzentriert, was ihr für Eure Geschichte braucht, dann werden Eure Bilder besser und ihr helft Eurer Kamera das Bild besser einzuschätzen.

Bildentwicklung

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Bildbeispiel – Bildentwicklung

Im zweiten Schritt ist wird es notwendig sein das Bild einer Bildentwicklung zu unterziehen, denn wie ich Euch bereits im ersten Teil beschrieben habe, ist die Bildbearbeitung ein zwingender Bestandteil der Fotografie.

Einen Bildausschnitt im Nachhinein größer zu machen ist natürlich nicht möglich, aber verkleinern geht schon, allerdings auch nur begrenzt.

Wichtiger ist es, technische Fehler und Fehleinschätzungen der Kamera zu korrigieren und das Bild so zu gestalten, dass es das zeigt, an das Ihr Euch erinnert! Nur so, entsteht am Ende das Bild, das Ihr eigentlich haben wolltet. Mehr dazu, im Artikel zum Thema „Bildbearbeitung.“

 

Fotografieren lernen, sehen lernen – Teil 1

Die Kamera sieht die Welt anders als wir

Warum ein Bild nicht dem entspricht, was Ihr eigentlich wolltet hat viele Gründe. Ein Grund, der den meisten sofort einfällt ist die Technik, die Kamera ist schlecht, wurde falsch bedient, kann das einfach nicht oder ist gar kaputt. Doch das ist nur ein Grund und nicht einmal der Hauptgrund, denn selbst eni technisch perfektes Bild, einer sündhaft teuren Profikamera kann bei optimalen Lichtverhältnissen einfach nicht das wiederspiegeln, was Ihr Euch vorgestellt habt!

Ein häufig unterschätzter Punkt ist die Art wie Eure Kamera im Unterschied zu Euch die Welt überhaupt sieht! Dabei spielt es nicht einmal eine große Rolle, ob Ihr Euch eines Profimodells oder eines Smartphones bedient, ob Ihr die Kamera manuell einstellt oder eine Vollautomatik die Arbeit machen lässt. Es gibt grundlegende Unterschiede in der Art wie das Bild vor Eurem geistigen Auge – also in der Regel das Bild, das Ihr gerne machen wollt – im Vergleich zu dem Bild, welches Eure Kamera aufzeichnet, entseht. In diesem Artikel möchte ich Euch ein paar dieser Unterschiede einmal vorstellen.


Das menschliche Gesichtsfeld oder Sichtfeld

Der Mensch hat ein ungefähres Sichtfeld von ca. 180° – 200°. Wie weit dieser Sichtwinkel ist, könnt ihr einfach austesten, indem Ihr gerade aus schaut, Eure Arme gerade, seitlich ausstreckt und diese dann gleichmäßig, langsam nach hinten bewegt bis ihr sie nicht mehr sehen könnt, ohne den Kopf zu bewegen. Dieses Sichtfeld erweitern wir dann noch dadurch, dass wir in unserer normalen Umwelt den Kopf bewegen können und so einen recht großen Sichtradius erreichen.

Das Sichtfeld einer Kamera hingegen ist abhängig von der Wahl des Objektivs oder besser gesagt, von der Wahl der Brennweite und vom Cropfaktor der Kamera, anders als Ihr kann eine Kamera ihr Sichtfeld erweitern und auch einschränken, das bezeichnet man als rein- oder rauszoomen.


Farbiges Sehen

Wir sind es unsere Netzhautlk-polarpUmwelt farbig zu sehen und nehmen in der Regel an, dass wir dies auch immer und über unser gesamtes Sichtfeld auch tun.

Doch dem ist nicht so, tatsächlich ist unsere Farbwahrnehmung stark eingeschränkt. In den äußeren Bereichen unseres Sichtfeldes sehen wir im Grunde gar keine Farben, dieser Bereich ist eher für das Sehen von Bewegungen da. Hier befinden sich spezielle Rezeptoren auf der Netzhaut, die dem Gehirn melden, ob sich in unserem äußeren Sichtfeld etwas bewegt, damit wir notfalls auf die Bewegung entsprechend reagieren können. Reaktionen können beispielsweise „Hinsehen“ – also den Kopf in die Richtung der Bewegung drehen – oder auch „Ausweichen“ – also reflexartikes Ducken sein.

Tatsächlich sehen wir nur in einem Bereich von etwa 70° ein wirklich farbiges Bild, weil nur dort alle drei Farbrezeptoren unseres Auges auch wirklich Farbinformationen aufnehmen und nur wenn alle drei Grundfarben gesehen werden, kann das Gehirn daraus die richtige Farbe mischen. In Sichtiwinkel, die ausserhalb dieses Bereichs liegen, sehen wir nur einen Teil der vorhanden Farben. (siehe Grafik)

Das farbige Sehen baut sich also langsam von außen nach innen auf. Diese Feinheit nehmen wir in unserem täglichen Leben allerdings nicht direkt wahr, weil wir es gewohnt sind und nur innerhalb unseres zentralen Gesichtsfeldes tatsächlich unser normales Sehen stattfindet.

Bei Eurer Kamera ist das allerdings anders, denn der Sensor empfängt über den gesamten, durch das Objektiv sichtbaren Teil alle Farben und stellt daraus ein Bild zusammen.


Dreidimensionales und scharfes Sehen

Sehen lernen, Fotografieren lernen, Fotokurs, Bremen, FotoschuleHinzu kommt  noch, dass wir als Menschen mit einem Augenpaar sehen und unsere Art zu sehen auf ein dreidimensionales Sehen ausgerichtet ist. Dieses dreidimensionale Sehen erreichen wir jedoch nur dort, wo sich die beiden Sichtfelder unserer Augen überschneiden und nicht über unser gesamtes Sichtfeld.

Dieser Bereich ist unser zentrales Sichtfeld, also das Sichtfeld in dem Ihr alle es gewohnt seid Eure Umwelt optisch bewusst wahrzunehmen, die äußeren Sichtbereiche nehmen wir nicht bewusst, sondern eher unbewusst wahr. Sie sind von untergeordneter Bedeutung, dienen eher einer Art Orientierung oder Kontrolle der Umwelt.

Um es einfach auszudrücken, natürlich bekommt ihr es mit, wenn seitlich von Euch ein Bär aus einem Gebüsch rennt, um Euch zu jagen, aber wenn seitlich von Euch einfach nur ein Gebüsch ist und nichts passiert, dann werdet Ihr Euch später auch nicht mehr daran erinnern, ob da ein Gebüsch war und schon gar nicht an Details. Wir brauchen unser äußeres Sichtfeld, aber nicht für unsere Bewusste Wahrnehmung und um die geht es ja, wenn Ihr etwas so fotografieren wollt, wir Ihr es „gesehen“ habt.

Das Objektiv Eurer Kamera kann diesen Sichtwinkel über die gewählte Brennweite variieren, Ihr könnt das nicht wirklich, aus diesem Grund empfinden wir Bilder, die mit einer sogenannten Normalbrennweite mit einem Sichtwinkel von ca. 46,7° fotografiert wurden, als natürliche Darstellung einer Situation, denn dieser Sichtwinkel zeigt in etwa das, was wir als normales Sehen empfinden. Jede Brennweite über- oder unterhalb der Normalbrennweite verändert diesen Sichtwinkel und produziert so ein anderes Bild, als das was wir normalerweise sehen würden. In meinem Blogartikel zum Thema Objektive erfahrt Ihr mehr zu den Brennweiten von Objektiven.

Desweiteren hat das menschliche Auge nur einen einzigen Scharfenpunkt auf der Netzhaut, also nur einen kleinen Bereich in dem wir wirklich ein scharfes Bild fokussieren können. Dieser scharfe Punkt befindet sich mittig in unserem Auge.

Auch das könnt ihr leicht testen, konzentriert Euch auf einen beliebigen Gegenstand, eine Person oder einen Punkt im Raum, schaut konzentriert auf diesen Punkt und Euch wird auffallen, dass alles ausserhalb dieses Punktes „unscharf“ wird, es liegt ausserhalb des Fokus‘.

So verhält es sich im Grunde auch bei Eurer Kamera, denn auch Eure Kamera kann nur auf einen bestimmten Bereich im Bild fokussieren, nur an diesem Punkt wird das Bild zu 100 Prozent scharf, ausserhalb dieses Punktes entscheidet die Schärfentiefe oder auch Tiefenschärfe darüber, was eventuell außerdem noch scharf dargestellt wird.


Ein Blick, ein Bild?

In der Regel fotografieren wir mit dem Anspruch das zu fotografieren, was wir gesehen haben und oftmals werden wir enttäuscht. Das liegt nicht zuletzt daran, dass dieser Anspruch nicht nur schwer umzusetzen, sondern häufig ohne entsprechende Nachbearbeitung gar nicht umsetzbar ist.

Eure Kamere mit mit dem Drücken auf den Auslöser ein Foto, dieses Foto hat eine technische Einstellung für Werte wie Belichtungszeit, Blende und Lichtempfindlichkeit. Das Bild vor Eurem geistigen Auge besteht jedoch aus hunderten von Einzelbildern, die Ihr in kürzester Zeit gemacht habt, unser Gehirn setzt aus diesen Bildern dann ein Erinnerungsbild zusammen und genau dieses Bild wollt Ihr gerne fotografieren, aber mit nur einem Foto.

Das menschliche Bewusstsein verarbeitet pro Sekunde 24 Bilder, Ihr seht also die Welt mit 24 Bildern pro Sekunde oder anders ausgedrückt mit 1/24 Sekunde „Belichtungszeit“, ab 18 Bildern pro Sekunde sehen wir erste Bewegungsunschärfen. Schnellfiegende Insekten sehen hingegen bis zu 300 Bilder pro Sekunden, einfache Stubenfleigen sehen 250 Bilder pro Sekunde, sie sehen unsere Welt in Zeitlupe!

Wenn Ihr Euch also 10 Sekunden auf einem Marktplatz umschaut, Euch die Menschen anseht, den Boden, den blauen Himmel, die einzelnen Häuser, den Brunnen in der Mitte des Platzes und die Straßenmusikanten, die vor dem kleinen Restaurant auf der linken Seite spielen, dann habt ihr in diesen 10 Sekunden 240 einzelne „Bilder“ gemacht und immer wenn Ihr Euch auf einen neuen Bereich konzentriert habt, dann habt ihr mit Eurem Auge auch genau auf diesen Bereich fokussiert. Eurer Bewusstsein bastelt daraus jetzt das Bild, an welches Ihr Euch immer erinnern werdet, wenn ihr an diesen Marktplatz denkt.

Dieses Bild wird an verschiedenen Punkten scharf sein, auch wenn das eigentlich nicht stimmt. Eure Kamera kann dieses Bild aber nicht einfach dadurch erreichen, dass Ihr auf einen Auslöser drückt, nicht in einem manuellen Programm und am wenigsten in einem Automatikprogramm, denn die Kamera kann Eure Gedanken nicht lesen.

Hinzu kommt noch, dass Eure Kamera in der Regel nicht mit einer 1/24 Sekunde Belichtungszeit arbeiten wird. Ihre Spielwiese an Belichtungszeiten ist deutlich größer und kann an die Begebenheiten angepasst werden, entweder macht das die Automatik Eurer Kamera oder ihr selbst macht das, aber auch wenn ihr selbst die Belichtungszeit einstellt, die wenigsten Motive des Alltags fotografieren wir mit 1/24 Sekunde Belichtungszeit, schon gar nicht ohne Stativ! (siehe „Die Handaulösegrenze“)


Ein Bild, eine Blendeneinstellung! Haben wir das auch so gesehen?

Wie gesagt, Eure Kamera macht für ein Bild immer auch eine technische Einstellung, dazu gehört auch die Blendeneinstellung, welche Einfluss auf die Tiefenschärfe Eures Bildes hat, also darauf wo das Bild ausserhalb des Fokuspunktes noch scharf ist.

Die Blende Eurer Kamera ist der Iris Eures Auges nachempfunden und lässt sich recht gut damit vergleichen. Sie ist im Objektiv eingebaut und kann geöffnet und geschlossen werden. Doch während Eure Kamera die Belichtungszeit und die Blende verändern kann, könnt ihr nur Eure „Blende“ verändern, um Euch beispielsweise an Lichtverhältnisse anzupassen! Die Belichtungszeit Eures Bewusstseins könnt ihr nicht steuern, ihr seht die Welt immer mit der gleichen Belichtungszeit.

Während Ihr Euch besagten Marktplatz angeschaut habt, gab es helle und dunklere Flächen, der blaue Himmel, der Boden, die Häuser, Schatten, usw. und jedes Mal hat sich Euer Auge an die Lichtverhältnisse angepasst. Bei hellen Flächen war die Iris ganz weit geschlossen, bei dunklen ganz weit geöffnet. Eure 240 Bilder bestehen also aus unterschiedlichen Blendenstufen und Anpassungen an die Lichtverhältnisse. Das eine Erinnerungsbild besteht also aus 240 vollkommen unterschiedlichen Blickwinkeln und ausgeglichenen Lichtverhältnissen. Doch Eure Kamera kann nur ein Bild, mit einer Blende und einer Belichtungszeit darstellen, eine technische Einstellung und genau hier besteht eine technische Diskrepanz zwischen dem was wir glauben gesehen zu haben und dem was wir technisch fotografieren können.


Ein Bild wird nicht aufgenommen, es wird gemacht! (Ansel Adams, Landschaftsfotograf)

Aus diesen genannten Gründen ist eine Bildentwicklung oder Bildbearbeitung ein unabdingbares, wenn auch manchmal ungeliebtes Muss in der Fotografie, noch nie in der Geschichte der Fotografie hat es ein vollkommen unbearbeitetes Bild gegeben, ein Foto kann seinem hohen Anspruch nur genügen, wenn Ihr ihm die Möglichkeit dazu gebt.

Und dazu gehören Beachtung des Bildausschnittes, des Bildaufbaus, des gewählten Blickwinkels und der Inhalte und auch die entsprechende Nachbearbeitung und Korrektur technischer „Unzulänglichkeiten“, die in der Regel nicht zu vermeiden sind, weil eine Kamera eine Maschine, ein Werkzeug ist und bleibt. Mehr zum Thema Bildbearbeitung in meinem Blogartikel „Bildbearbeitung, ein zwingendes Muss in der Fotografie!